Reisebericht Baltikum 2001
24. August 2001 Berlin – Rostock + an Bord der Finnjet
Der Wecker klingelt um 7.00 Uhr. Wir sind aufgeregt. Letzte Absprachen, was das Packen der Ortlieb Taschen angeht, wir hatten beide zuletzt soviel um die Ohren, dass wir kaum zum Nachdenken gekommen sind. Ich bewundere die Inhaltsverzeichnisse, die Karen für jede Tasche angelegt hat, ein einfacher Zettel liegt immer obenauf und so muss man nicht immer die ganze Tasche durchwühlen, um festzustellen, was nicht drin ist. Diesmal reisen wir sogar ohne die zusätzliche Ortliebtasche, die uns in Andalusien gute Dienste geleistet hat. Sogar die große Kamera passt noch bei mir in die Tasche. Los geht’s zum Ostbahnhof,. Die Räder brauchen Luft und werden an der Tanke befüllt. Der Bahnsteig füllt sich schnell, Gott sei Dank nicht mit anderen Rädern, im Regionalexpress kann man ja nicht vorreservieren und IR fahren nicht auf dieser Strecke… Auf geht es nach Rostock. Unterwegs steigen dann doch noch gut 14 Fahrradfahrer nebst ihren Rädern zu, es wird gut voll. Da wir zum Schluss aussteigen, stört das nicht so sehr. In Rostock herrscht Baustelle, die Räder müssen treppab und wieder –auf zur Strasse. Von dort geht es erst ganz gut ausgeschildert, später gar nicht mehr ausgeschildert zum See-Hafen. Wir verfahren uns zwar, aber nicht so schlimm. Gut eine Stunde vor Ablegen sind wir da. Eine letzte Currywurst am Ableger und dann bestaunen wir die Entladung der riesigen Fähre, viele Busse, Motorradfahrer und einige Radreisende kommen aus dem Bauch. Endlich dürfen wir aufs Autodeck, bei der Einfahrt wir jeder fotografiert, wir auch, die Räder werden angeschlossen und wir suchen unseren Weg zur Kabine im 5. Stock (ne, das heißt hier Deck). Es ist schwer sich zurechtzufinden, wahnsinnig viele Kabinen hier und irgendwie keine Logik mit der Nummerierung. Unsere Innenkabine ist klein und ohne Fenster nach außen (deswegen Innenkabine, aha). Was wohl ein Upgrade zur 12m2 großen Außenkabine kostet? 120,- DM Aufpreis pro Person ist uns aber doch wesentlich zu teuer. Wir genießen die Sonne an Deck. Schiffsbegehung. Vor allem die Geräuschkulisse im Shop mit klirrenden Gläsern und rumpelnden Regalen sind auf diesem riesigen Schiff beeindruckend. Leider gelingen die Aufnahmen mit dem Minidisc nicht, egal. Schlafen. Nach der vielen Arbeit ein guter Einstieg in den Urlaub…
25. August 2001 an Bord der Finnjet – Tallin
Wir verschlafen das Frühstück, das von 8-9 Uhr serviert wird, finnische Zeit, also eine Stunde plus. Es ist so dunkel in unserer Kabine, das man nicht weiß, wie spät es ist. Wir duschen in der Miniatur Ausgabe einer Dusch/WC/Waschkabine (nur in Frankreich hatten wir mal eine kleinere Ausgabe) und suchen uns eine Cafeteria zum frühstücken. Teuer. Leider kann man an Bord meist nur in „Raucherecken“ sitzen, wenn man außerhalb der Restaurants bleiben will. Oder eben an Deck. Wir relaxen, lesen ein wenig Reiseführer (was uns wohl erwartet? – Die Vorurteile sind ja hoch, die Ahnung gering) und lassen uns Richtung Tallin schippern. Nach einer guten Stunde an Deck sehen wir Tallin vor uns. Das Land sieht flach aus vom Wasser. Der Lotse kommt an Bord und wir legen an. Wir verlassen vor den Autos (die unter Deck alle die Motoren laufen lassen, was erbärmlich stinkt) das Schiff und radeln durch die schnelle und unbürokratische Passkontrolle (die Zollbeamtin sagt: “Biettescheen“) nach Estland. Wie das klingt!! Unser Hotel (Express Hotel, 2 Nächte von Deutschland aus vorgebucht) ist unweit des Hafens (außerhalb der Altstadt) und schnell gefunden. Es ist sehr neu und hat westlichen Standard. Wir verstauen das Gepäck und die Räder uns laufen in die Altstadt. Es sind nur 10 min. bis zum Eingang („Fat Margaretes Tower“) in die Altstadt. Der Charme der mittelalterlichen Strasse zieht uns in seinen Bann: wunderschöne alte Häuser – die gerade renoviert werden bzw. schon sind – alles sehr westlich aussehend. Wir landen auf dem Rathausplatz (Raekejaplats), den wir von einer Reportage aus dem Fernsehen kennen. Große Kirche und schöne alte hanseatische Häuser. Wir ziehen Geld aus dem EC Automaten (was beim 2. Versuch erst klappt) und schlendern durch die engen Kopfsteinpflastergassen. Trinken dann einen Kaffee auf dem Rathausplatz (teuer!!) und schlendern zurück zum Hotel. Im Fernsehen gibt es sogar RTL!! Lange Hosen an und wieder los. Wir essen in der Altstadt in einem kleinen „Restoran“ (so heißt das hier) Lasagne, Lachssuppe und Kartoffeln mit Sahnehering. Alles lecker und preiswert. Dazu gibt es Pfirsichsiider (ja, Cider) und Saku – Bier. Wir schlendern noch durch die obere Altstadt, vorbei am Puppentheater, dem Kunstmuseum, der Reichskanzlei, einigen anderen Theatern, der deutschen Botschaft und genießen schöne Ausblicke über die untere Stadt. Retour ins Hotel und schlafen.
26. August 2001 Tallin
Wir schlafen gut im ziemlich ruhigen Hotel trotz zu weicher Betten. Aufstehen, im hoteleigenen Restaurant frühstücken gehen. Buffet mit Porridge (heißt hier Puure)!! Wir schlagen uns den Bauch voll. Abends gibt es hier die „Suup Galerii“. Ab in die Stadt zum Tourist Office. Von dort zum Viru Hotel (Riesenschuppen, da möchten wir nicht wohnen), weil von dort die Sightseeing Tour beginnt. Um 12 Uhr geht es zuerst per Bus los. Eine ältere Dame (Aushilfe, der eigentliche Führer ist krank) erzählt uns viel über die Jetzt Zeit (10 Jahre Postkommunismus und doch eigentlich nicht, der rote Feind lauert jetzt als geldbesitzender Mafioso – also richtig westlich) und über die Geschichte Tallins. Zuerst besichtigen wir die Freiluftarena, Konzertveranstaltungsort (hier soll eventuell auch der Eurovisions- – Song – Contest 2002 stattfinden, wenn es dann nicht zu kalt ist für draußen) und Ort der „Singing Revolution“. Die Esten haben den russischen Besetzer mit Gesang vertrieben (auf alle Fälle friedlich). Dennoch haben sie den Eurovisionssongcontest 2000 gewonnen, erstaunlich… Danach geht es um den City Park mit wunderschönen alten (und neuen) Holzhäusern. Danach per pedes durch die Altstadt, Kirchen, sowohl russisch orthodoxe als auch Lutherahnisch methodistische werden bestaunt und abgelichtet. Dazwischen entwickelt sich ein Gespräch zwischen uns und unserem Tourguide, unter Europäern sozusagen (der Rest der kleinen Truppe sind Amerikaner) über Postkommunismus, deutsche Hanse, die EU und den 2. Weltkrieg (die Deutschen „befreiten“ durch den Russlandfeldzug die Esten, zumindest kurzzeitig, es galt nämlich als „judenfrei“). Karen ist recht beeindruckt und glücklich, findet sie hier doch viele Parallelen zu ihrer norddeutschen Heimat (auch sprachlich – Kiek in de köök zum Beispiel). Als die Tour nach über 2 ½ Stunden vorbei ist, geben wir reichlich Trinkgeld und trinken noch einen Kaffe mit unsrer Stadtführerin. Sie erzählt unter anderem dass die Bevölkerungszahl Estlands jährlich um gut 8000 abnimmt, die jungen Leute keine Kinder mehr wollen, der Lebensstandard gesunken sei, die Arbeitslosenquote bei 25 % liegt, das Land leidet unter hohen Steuern, Ausbeutung der Natur – alle Grauen des Kapitalismus kommen zusammen. Uns wundert es, wir sehen viele junge Leute, nur dicke westliche Autos, aber natürlich wissen wir nicht, wo das alles herkommt. Die Banken werden ordentlich Kredite verteilen… Nach weiteren 1 ½ Stunden verabschieden wir uns, nachdem sie uns noch vom westlichen Estland (und den Inseln dort) vorgeschwärmt hat. Nette Leute gebe es dort und die Landschaft!!! Ach ja, Marzipan gibt es hier auch (Erfinder war ein Herr Mart, es wurde „Brot des Mart“ genannt, der das in Tallin als Medizin gegen Bauchweh erfunden hat. Was die Lübecker wohl von dieser Geschichte halten?) und Schokolade. Wir ziehen um ins estnische Nationalmuseum, sehr interessant und nette Leute. Vom Ursprung des Landes über die Hanse bis zur Jetztzeit ist alles recht gut dargestellt und erklärt. Um 17.30 schließt das Museum und wir wanken müde, aber mit dem Vorsatz, abends ins empfohlene Restoran zu gehen, ins Hotel. Pause. Abends ab ins Restoran (hab den Namen vergessen, drei Worte, ein servierendes Schwein als Symbol, umweit des Rathauses). Karen isst Leber, ich Huhn. Dazu Cider & Ögu (=Bier). Suur täneh!! (=Sehr lecker). Dank des Kauderwelsch Estland Führers lernen wir ein paar Sprachbrocken, lustige Sprache. Danach gibt es einen Country Pie (Rhabarberkuchen) sowie eine Art Griesnockerl in Fruchtkaltsoße & Kaffee. Zusammen kostet das etwa 465,-Eesti Kronen (etwa 30 €). Wir schlendern zurück ins Hotel, satt und zufrieden.
27. August 2001 Tallinn – Laulasmaa (50 km)
Vor dem Wecker sind wir wach. Draußen ist es bedeckt, ideales Radlerwetter. Frühstück mit Puuru. Sehr lecker, warm, gesund und appetitlich. Fare you well, Express Hotel und Tallinn!! Du hast uns gut gefallen, ein schöner Einstieg in unseren Urlaub. Noch schnell Geld tanken bei der Hansepank an der Tankstelle und .. hit the road. Wir radeln aus Tallin raus, vorbei an alten Holzhäusern und Gemüsegärten, z.T. sehr schöne Parks, sehr gepflegt. Dank einer Nachfrage finden wir den Weg nach Laulasmaa und fahren auf recht befahrener Strasse , die aber ganz gut sind. Ab und zu biegt rechts oder links mal ein Weg ab, wir achten aber nicht drauf und landen prompt in einem Neubau – Datschen Gebiet am Meer. Erneutes Fragen (Englisch), der Este spricht starken Dialekt (kaum verständlich) und weist uns den Weg Richtung Keila-Joa auf der Hauptstrasse. Die Landschaft ist recht ereignislos: Wiesen, Wälder mit vielen Pilzsuchern drin, Gestrüpp. Wir folgen einem Schild zum Strand und stehen an der Ostsee; rechterhand der Badestrand, links der Kloakenstrand, allerdings mit SEHR vielen Schwänen, die wir mit zugekniffener Nase fotografieren. Es müssen Hunderte sein, angeblich überwintern sie hier in der warmen Ostsee (?). etwas Steilküste (na ja) ist hier auch zu sehen. Ein Müsliriegel vertreibt den kleinen Hunger und ein ungläubiger Blick auf den Tacho straft die km-Angaben im Reiseführer oder die Tachoanzeige Lügen: Wir haben gut 40 km auf der Uhr, bis Laulasmaa sollen es doch nur 37 sein. (Luftlinie?). Die Schilder in die Gegenrichtung weisen die Distanz nach Tallinn mit <20 km aus. Wahrscheinlich haben wir doch einen ziemlichen Umweg hingelegt. Dank des recht regen Gegenwindes ermüden wir. Die Fahrt durch ein Sumpfgebiet ist eintönig, endlich scheinen wir Laulasmaa erreicht zu haben. Dreimaliger Anlauf macht das einzige Hotel im Ort nicht schöner, es ist ein alter Plattenbetonbau aus sozialistischer Zeit, auch seitdem nicht mehr renoviert…Da kehren wir doch erst mal auf einen Kaffee & Kuchen (lecker) in die Reket Baar (Tennisplatz an der Strasse) ein und überlegen, ob wir bis Keila weiterfahren sollen. Der einsetzende Regen nimmt uns die Entscheidung ab – uns ruft das Hotel. In der Lobby sozialistischer Charme der frühen 50-er Jahre, wenigstens werden wir nicht mit Bruderkuss begrüßt…Stefan sagt allen Ernstes: „Guck mal wie schön!“ Beim Zimmer sagt er das trotz Meeresblick und nur 350 EEK inkl. Frühstück nicht mehr. Die Tapeten kommen von den Wänden, das Haus hatte seinen besseren Zeiten vor langer Zeit. Abendessen in der erwähnten Reket Bar (mehr gibt es hier nicht, ein Kaff). Stefan kriegt eine mäßige Forelle in Folie, Karen eine gute Soljanka und mittelprächtige Heringshappen in (unter) Sauerrahm, na ja. Dazu Bier und Siider. Es regnet sich ein. Zurück ins „Hotel“ (sieht bei Regen noch düster aus). Langes Lesen und Schlafen.
28. August 2001 Laulasmaa – Haapsaluu (91 km)
Die ganze Nacht Regen mit z.T. heftigem Wind. Das lockt nicht zur Weiterfahrt, unser Etablissement aber auch nicht zum Verweilen. Also – Aufstehen und frühstücken. Leider kein Porridge, nur Müsli, Wurst, Käse, Brot. Na ja. Wir erkundigen uns nach Bus & Bahn (Bus ab Keila, 14 km weg) und radeln los. Es regnet nur noch wenig, bald hört es ganz auf. Wir radeln und radeln. Nach 42 km Pause, wir sind gut geschafft. Da kommen uns 2 Radler entgegen, ein Paar aus Dresden, sie sind seit 2 Wochen unterwegs und haben 1300 km auf der Uhr. Großteils gezeltet. Wir tauschen Erfahrungen aus, bekommen einen Fährplan für die Fähre von Haapsaluu, verabschieden uns. Nette Leute (auch Villiger Räder). Weiter geht’s. 5 km weiter die nächsten entgegenkommenden. Wir grüßen aber nur, wollen weiter. Die Strecke zieht sich. Nix Passiert, Wald und Wiesen wechseln sich ab, kaum mal ein Auto. Kein Elch, nur 3 Störche (und diverse Kühe, Schafe, Ziegen). Nach gut 85 km ist Haapsaluu erreicht, es tröpfelt wieder. Erst mal zum Bahnhof weil da die Info sein soll, aber dort steht nur ein Hotelzug. Also kurzerhand ins Bergfeldt, eine der ältesten Badeanstalten hier. Haapsaluu ist wegen seiner Moorheilbäder (Schlammheilbäder) bekannt und seit Jahrhunderten berühmt. Leider gibt es heute kein Heilbad mehr, erst wieder morgen. Mmmh, wir suchen erst mal weiter. Werden aber anderswo auch nicht fündig, also retour ins Bergfeldt, das auch Zimmer bietet. Die Frau spricht deutsch. Karen genießt die Dusche, wir sind nach 91 km ziemlich alle. Heute ist Rosis Geburtstag, mal sehen, ob das Handy auch hier funktioniert (tut es und wir bringen ein Ständchen nach Berlin). Dann relaxen. Ein toller Sonnenuntergang zum Abend, dann vertreiben uns die Mücken aus dem Freien in die „Laterna Bar“, wir essen Schnitzel & Hacksteak (geht schnell und schmeckt gut) für 130 EEK. Danach ins Hotel, wo uns die Schlammbadprozedur für morgen erklärt wird. Ab ins Zimmer, bloß kein Fenster auf, MÜCKEN!!!
29. August 2001 Haapsaluu – Kaina (45 km)
Stefan schläft nur bis 7.30, hat sein Herz für Mark Childress Bücher entdeckt und liest laut raschelnd. Frühstück gibt es erst um 10, daher vorher eine kleine Gepäcklose Spritztour durch Haapsalu auf der Suche nach Fotomotiven und Tourist Info. Der Ort ist schön mit Kuurhaus, Kuursaal, Promenadi und Holzhäusern; viele Straßenschilder sind noch in Russisch gehalten. Frühstück mit dem ekligsten „Kaffeeweißer ever“ und Marmelade & Milch erst auf Nachfrage. Schlammbadvorbereitungen: Badehose an, rosaroten (!) Bademantel drüber und Handtücher unter den Arm geklemmt. Karen entscheidet sich doch noch zum Heilschlamm. Doch – es gibt nur eine Kabine und die ist voll! Von wegen 11 Uhr moorbaden. 11.30 ginge es erst, aber das heißt wir kämen erst gegen 13 Uhr los, das ist es uns nicht wert. Da hat die Receptionistin wohl Mist gebaut, die Badefrau scheint auch nicht begeistert zu sein, so späte Kunden noch bedienen zu müssen. Man bietet uns noch ein Heubad an (als Entschädigung), aber wir wollen nicht mehr . Dann gehen wir eben unverrichteter Dinge ungemoort… Wir packen die Taschen (aua, die Mückenstiche pieken) und radeln die paar km zum Hafen, kaufen Postkarten und warten auf die Fähre, in der Sonne sitzend. Stefan versucht, die knackende Pedale zu reparieren, einmal aufschrauben und wieder zu, fertig ist die Villiger-Reparatur. Die Fähre legt an, wir steigen ein vertäuen die Räder und los geht die langsame gemütliche Fahrt gen Hiiumaa bei strahlendem Sonnenschein. Die 1 ½ Stunden dauernde Fahrt (ach, wie schön ist es wieder mal gefahren zu werden und dann noch auf dem Wasser…)wird mit Cappuccino („Kaks cappucino palun“ – „Zwei Cappuccinos bitte“) Friikadellisuup und friikartneit viineri (Pommes mit Wiener Würstchen) verkürzt. Ankunft auf der schönen Insel, bekannt als estnisches Paradies. Wir radeln auf einer schnurgeraden Strasse gen Kaina und nehmen den Umweg über die Halbinsel Kassai, die als Vogelparadies bekannt ist. Wunderschöne, sumpfige Landschaft, butzeneben in der strahlenden spätmittäglichen Sonne. Ein kurzer Abstecher zu den estnischen Pferden, die entgegen der Aussage der estnischen Touristinfo in Haapsalu überhaupt nicht wie Island-Ponys aussehen, sondern ganz normal. Ein Foto, ein kurzer Schwatz mit einer jungen Frau, die erzählt, dass es wieder 100 Stuten dieser alten Rasse gibt und sie also nicht aussterben. Recht so, schöne Tiere (wenn auch recht normal für uns Pferdelaien). Weiter geht es über das recht einsame Halbinselchen. Verkehr gibt es hier scheinbar gar nicht, wir sind ganz allein. Außer einem jungen Fuchs, der neugierig vor uns die Strasse quert. Traumhaft schöne Ausblicke über die Meeresbucht wechseln sich mit ebenso schönen Holzhäusern ab. Schokipause, aber nur kurz – Moskitoattacke!!! Also schnell weiter ins Hotel Liilia, was wir nach einigem Suchen finden. Sehr schöne Unterkunft, (allerdings mit 2 Einzelbetten). Stefan flucht und klagt über die rechte Achillesferse, die stark geschwollen ist. Wir erwägen, morgen eine Apotheke aufzusuchen. Abendessen: Es gibt Zwiebelsuppe und gekochtes Gemüse mit Schinken & Käse für Stefan und Pfannkuchen mit Lachs und der obligatorischen sauren Sahne für Karen. Alles sosolala. Wir sind auch die einzigen Gäste (wie das mit der kalten Küche?). Der Nachtisch („Dessert Liilia“) entpuppt sich als Eischnee (ungesüßt) mit Eiscreme darunter auf Biskuit und Schokosoße das „Kassai farm girl“ als Sahne auf Erdbeersoße mit Zimtzuckerbrotkrümeln und in Zimtzuckerbrotkrümeln gewälzten Apfel- und Bananenscheiben, beides ganz lecker. Aber warum das Essen solange gedauert hat und der Nachtisch so schnell kam? Wir wissen es nicht. Verdauungsspaziergang ums Haus, den Mond ansehen. Abends dann Glotze im Bett, eine deutsche Serie (Helikops? Oder so was in der Art) – Lustig, es bleibt deutsch, mit estnischen Untertiteln!!- da kann man was lernen) Frühstück ist für 8 Uhr geordert, die „Vorst“ ist abbestellt. Ob´s klappt?
30. August 2001 Inselrundfahrt Kaina – Leisi (106 km)
Um 7 Uhr klingelt der Wecker, fast zu früh, noch ein bisschen kuscheln und wärmen… Frühstück – die Wirtin hat sich Mühe gegeben, keine Vorst, aber auch keine Marmelade…Dafür Käse, Müsli & Corn Flakes. Um 9 Uhr sind wir auf der Piste. Schnell noch in die „Apteek“ irgendeine Heparinsalbe kaufen (Di Sehne ist dick). Die 20 km nach Kärdla sind schnell geradelt, nur unterbrochen von einem Fotostop wegen 2 Störchen, die ziemlich tief fliegen und Nahrung suchen (ob das denen nicht schon viel zu kalt ist?). Die Sonne lacht, uns geht es gut. Den Abzweig nach Takuma lassen wir rechts liegen, laut Info in Haapsalu ist der Leuchtturm geschlossen, das Denkmal an den Untergang der Estonia (1994) sparen wir uns. Das wären auch zusätzliche 20 km, die wollen wir nicht radeln. Lieber an der Westspitze auf den 3.-ältesten Leuchtturm der Welt in Kopu, von dem das nur 200 km entfernte Schweden sehen kann. Ab Ludja gibt es Schotterpiste, erst mal nur 3 km, danach frisch geteert. Die angekündigten 10 km sind aber gut 15, die letzten km wieder auf Schotter. Nach einem Anstieg stehen wir vor dem Leuchtturm – und – „soletud“ ist er, der „tuletorn“ wird gerade renoviert. Also, entweder hatte die in der Touriinfo keine Ahnung oder wir haben alles falsch verstanden. Mist, der Weg umsonst. Hätten wir doch die andere Strecke genommen, wahrscheinlich wäre der andere Leuchtturm offen gewesen…Enttäuschtes Picknick. Kekse, Weintrauben, Kuchen Schokolade. Dann wieder zurück, wir haben noch 45 km vor uns bis zur Fähre. Auf dem Weg treffen wir ein Berliner Parr (Lüneburg/Berlin (Prenzlberg)), die auf dem Weg nach Kopu sind. Wir quatschen ein wenig, dann müssen wir weiter. Die Strecke von Luidja nach Emmaste zieht sich ewig hin. 2 km geradeaus, Kurve, 2 km geradeaus. Wir strampeln uns müde- Brauchen öfter eine Pause. Endlich – der Abzweig nach Söru, nur noch 4 km zur Fähre. In Söru schnell Brot & Käse einkaufen, am Hafen haben wir 100 km Tages-km voll. Unsere erste 100 km – Etappe. Wir sind gut alle. Picknick am Hafen. Schöne Stimmung (siehe Foto oben). Wenn nur die Mücken nicht wären – Autan hilft ein wenig. Endlich kommt das Boot.6 Autos, ein LKW und wir nebst ein paar Fußgängern passen gut drauf. Die Überfahrt nach Saremaa dauert eine Stunde, wir frieren leicht. Die Sonne versinkt orange im Meer, tolle Stimmung. Auf Saremaa kommen wir in Trigi an, da gibt es angeblich ein Motel am Hafen. Na ja, für ein Matratzenlager wollen die 300 EEK – das passt uns gar nicht. Also – Klamotten an (es ist ziemlich frisch geworden und außerdem dunkel) – Karen probiert die neuen Handschuhe an – und auf geht es gen Leisi, wo auf unserer Karte ein Motel verzeichnet ist. Dort angekommen, finden wir nur eine „Baar“ und fragen nach einer Unterkunft. Es wird telefoniert und ein paar Minuten später kommt ein Auto mit einem netten Mann (statt der angekündigten Frau) der uns voran fährt. Nach 500 m kommen wir zu einer „Puhke maja“, ein tolle Holzhaus mit allem drum & dran. Der Mann ist total nett, wir zahlen 400 EEK, er geht. Wir duschen in stinkendem Wasser (moorig?), befeuern den Kamin, suchen uns aus 3 Schlafzimmern das schönste aus. Puuh, was für ein Tag! Todmüde sinken wir ins Bett, die im Haus befindliche Sauna reizt uns nicht mehr.
31. August 2001 Leisi – Kuressare (53 km)
8 Uhr, wir wachen auf und ziehen uns an. Erste Mutprobe des Tages – Zähneputzen mit eklig stinkendem Wasser. Noch schnell 2 Äpfel vom Baum im schönen Garten, die Fahrräder aus dem Schuppen, wo sie gut eingesperrt die Nacht verbracht haben, dem netten Mann adieu gesagt. Er erzählt uns, dass er dieses Ferienhaus (siehe Bild) allein gebaut hat und gerade noch eins daneben baut…-und (nach Blick gen Himmel) uns Gegenwind voraussagt… Wir radeln erst mal zur gestrigen Baar, Frühstück. Die hat natürlich zu, also in den Pood daneben, wir erstehen Trinkjoghurts, Obst, 2 Hörnchen. Frühstück auf der Parkbank in der Sonne. Es ist noch frisch. Danach geht es Richtung Süden, Kuressare (42 km). Haute geht es nicht gut voran, die Beine sind schwer, der Wind ist gegen uns (ja ja, die Einheimischen…;-). Die Aussicht wird auch langweilig, das Land ist flach, Weiden und Wiesen, ein paar wenige Häuser, schnurgerade Strasse, Kurve, schnurgerade Strasse, Weiden Wiesen…Wir kommen nur langsam und lustlos voran, mit vielen Pausen. Dann sieht Karen doch noch einen Fuchs (Entschädigung?). Wir begegnen 2 Berlinern, Achim & Herbert, die aus Klaipeda kommend nach Tallinn unterwegs sind. Sie sind bereits 3 ½ Wochen auf Tour und haben 1000 km hinter sich. Das heißt wir haben das noch vor uns – das spornt uns nicht gerade an…Wir geraten ins Grübeln. Aber erst mal ein netter Schwatz mit den beiden („Gegenwind? – Haben wir nicht bemerkt, heute geht es doch gut voran“ –na ja, Kunststück in der richtigen Richtung) , sie machen ein Foto von uns (falls Ihr das lest, meldet Euch doch mal!) und wir radeln weiter. Endlos zieht sich das hin… Endlich der Abzweig auf der Hauptpiste, nach wenigen km ist die Hauptstadt erreicht. Auf zur Touriinfo. Das im Lonely Planet empfohlene, preiswerte Lassi Guesthouse ist das teuerste Hotel am Platz, was bei der Lage direkt am Burggraben auch nicht verwundert. Trotzdem, 1200 EEK, umgerechnet gut 150 DM ist uns viel zu viel. In der Touriinfo überredet uns eine Mann/Frau (sehr androgyn und uns suspekt), ihm/ihr zu folgen, sie/er hätte ein Zimmer. Es liegt aber ziemlich weit weg, wir radeln Trotzdem erst mal hinterher, außerhalb der Stadt auf staubiger Piste finden wir uns in einem Zimmer wieder, das zwar ganz okay ist, aber eben zu weit weg. Wir lehnen dankend ab, der Mann (Frau?) ist enttäuscht. Zurück in die Stadt. Doch ins Hotel? Das „Johan“ gefällt uns von außen nicht, im Vanahinne (?) findet Karen das Zimmer zu klein und teuer (900 EEK), danach doch noch ins Johan, das Zimmer hat 2 kleine Einzelbetten und kostet auch 900 EEK, das Zimmer mit Doppelbett gar 1700 EEK, da wir einem doch schlecht! Also noch mal zur Info, wie sieht es denn mit Bed & Breakfast aus? Wir finden die angegebene Adresse nach einigem Suchen, ein nettes kleines Haus; ein Mann sitzt unterm Apfelbaum, schält Äpfel. Das Zimmer hat ein…Doppelbett, ist groß und sehr hell und neuer Dusche!! Kein rostiges Wasser, wunderbar. Das nehmen wir! 500 EEK ist geradezu ein Schnäppchen, inkl. Frühstück – wunderbarst! Duschen und Stadt erkunden. Wir erstehen Kaffee und Kuchen beim stark frequentierten Konditor. Guter Kaffee, leckerer Kuchen! So gestärkt, geht es zur Besichtigung der Burg. Kuressare hieß bis 1917 Arensburg, und die Burg eines deutschen Ritterordens aus dem 13. Jh. Ist eigentlich gut erhalten, im Burggraben kann man Tretboot fahren, ein echtes Falltor gibt es auch nicht überall und mit seinen eckigen + runden Türmen und der schönen Aussicht auf die schmucken Holzhäuser, Holzbrücke und das Meer liegt die Burg entzückend im nachmittäglichen Sonnenlicht. Rückkehr in die Stadt durch den Park mäandernd. Die Stadt wird architektonisch geschützt, sagt der Stadtplan der Tourist Info, wegen ihres mittelalterlichen Charakters, na ja, Charme des 19. Jh.s wohl eher: enge mit Kopfstein gepflasterte Straßen, 1-stöckige Sandsteinhäuser und einem alten barocken Rathaus aus dem 17. Jh. (schwedische Zeit hier). Sehr nett das alles. Abendessen bei estnischen Shantys und Schlagern sehr apart in einer alten, zum Restaurant umgebauten Mühle. Zum Nachtisch soll es erneut Kaffee & Kuchen in der Konditorei geben, aber die hat bereits geschlossen. Also fällt das aus. Routenplanung, wir müssen uns ziemlich sputen, wenn wir die 1000 km in den verbleibenden 2 Wochen schaffen wollen. Wir überlegen, eine längere Zugfahrt in Lettland zu machen, um Zeit zu sparen. Es ist jedenfalls noch ziemlich unvorstellbar weit, wir sind auf einer Insel in Estland und müssen noch durch Lettland und Litauen…
1. September 2001 Kuressare – Varbla (115 km)
Um 7 Uhr frühstücken die Nachbarn, praktisch in unserem Vorzimmer. Guter Weckdienst. Karen freit ein wenig und ist ziemlich zerstochen. Das Frühstück ist lecker, mit selbstgemachtem Apfelmus (aha, das war gestern die „Männerbeschäftigung“). Die Räder waren wieder im Schuppen gut aufgehoben, wir verabschieden uns und los geht es. Wir schlendern über den kleinen lokalen Markt, es gibt Obst, Pilze Strickwaren und sehr schöne Holzarbeiten. Um 9 Uhr sind wir auf der Piste. Der befürchtete Gegenwind bleibt aus, die ersten 15 km vergehen wie im Flug. Im Schnitt radeln wir 20-25 km/h, Wahnsinn, nach gestern (da waren es gerade mal 13 oder weniger). Es herrscht sowenig Verkehr, dass man mitten auf der Strasse radeln kann. Bei Köjala biegen wir auf die noch ruhigere östliche Nebenstrecke, die ist abwechslungsreicher. Wir beobachten Kraniche, Raubvögel, sehen schöne Häuser mit vollen Apfelbäumen davor, sehr idyllisch. Wenn auch die Leute gerade hinter den Häusern auf ihren kleinen Ackern per hand die Kartoffeln ernten. Sieht eher anstrengend aus. Nach über 55 km landen wir wieder auf der Hauptstrecke, eintönig, breit und relativ leer. Geradeaus. Am Damm nach Muhu machen wir Pause, setzen uns an Wasser und vertreiben damit gut 50-100 Enten von ihrem Sonnenbad. Hier zwischen den Inseln bläst der Wind heftig, wir sitzen geschützt hinter dem Damm, essen Käsebrot mit Apfel. Weiter geht es nach Muhu, eine intakte (!) Windmühle am Wegesrand lädt zur Besichtigung, wir müssen weiter, die letzte Fähre geht um 15 Uhr. Die letzten km ziehen sich, nach fast 80 km erreichen wir Kuivastu gegen 14.40 Uhr. Prima. Das Motel in Kuivastu gefällt uns nicht, laut Karte soll es drüben, in Virtsu, auch eines geben. Also weiter? Wasser kaufen, Tickets und rauf aufs Boot. Die Überfahrt ist kurz. Das Motel in Virtsu sieht von außen so aus, dass wir es von innen nicht sehen wollen, also noch weiter? Auf gut Glück! Hier beginnt auch der Velo 1, ein Radweg. Er führt am Meer entlang und wir beschließen, ihm zu folgen. Nach 1 km kein Asphalt mehr, gut zu radelnder Feldweg durch den Wald. Nach 10 km aber – Schotter – Waschbrettpiste. GRUSELIG!! Die Beschilderung endet hier auch (wir vermuten, die haben sich nicht mehr getraut). Wir fluchen, jedes Mal, wenn ein Auto vorbeischießt (nur wenige bremsen ab) werden wir total eingestaubt. Karens Knie schmerzt, die Piste zieht sich 25 km hin, bis wir in Varbla endlich wieder auf Asphalt stoßen. Wir sind fix und alle. Hotel? Keines in Sicht. Ich frage an einem Bauernhof (die Leute sehen mich erwartungsvoll an, als ich näher komme), ob jemand englisch spricht. Die Frau dreht sich zu ihrer Tochter (?) und ruft etwas, dreht sich wieder zu mir um und fragt: „Oderr sprrichst Du Deitsch?“ Ja! Sie ruft ihre Familie herbei („Saksamaa!!“ – sind wir denn Sachsen?) Das ist erstaunlich, hier mitten in der estnischen Pampa unterhalten wir uns über Deutschland, die EU und sonstiges Höflich und neugierig werde ich bestaunt. … Und ein Hotel? Ja, nur das „Puhke Kalu“ in Varbla, aber das sei teuer. Und das nächste sie Richtung Pärnu gut 30 km weiter. Das ist zuviel (am nächsten Tag stellen wir fest, es wären 43 km gewesen), also doch das teure. Wir haben das Schild gesehen, folgen ihm gut 5 km über Schotter bergab ans Meer und da ist es. Ein neuer Prachtbau, sehr schön, Holzhütten, viele Autos. Oje, hoffentlich ist noch Platz? Die Suite ist noch frei – für 1000 EEK – gerade gut genug für uns! Die Zimmer über der Sauna haben keine Dusche, nöö, der Rest ist voll. Leute spielen „Takeshis Castle“- Spiele sind recht vergnügt. Wir sind alle. Abendessen – Soljanka & Meat? Prima, die Angestellten sind sehr nett und zuvorkommend. Prima, wir duschen und waschen Klamotten aus, danach essen. Ein Prachtausblick über die Bucht, nur die dunklen aufziehenden Wolken verheißen nix Gutes. Total groggy sitzen wir im Zimmer (nee, inner Suite!) in grünen Ledersesseln und versuchen zu recovern.
2. September 2001 Varbla – Pärnu (80 km)
Der Billardraum unter uns ist laut, nachts um 0 Uhr macht Stefan dem Treiben ein Ende. Später Schlaf – trotz Suite… Aufstehen und frühstücken, mit Omelette (nur für uns- die anderen kriegen keins), supertollem Gries-Porridge (Stefan nimmt 3x), Marmelade & Brot und reichlich Kaffe. Als wir uns verabschieden, strahlt die nette junge Frau und sagt: „Thank you, bye bye, it very nice with you was.“ – dem können wir nur zustimmen! Rauf auf die staubigen Drahtesel und bei Gegenwind auf meist schöner Strecke gen Pärnu. Stefan kommt nicht recht voran, meint, es geht schwerfällig. Wir sehen 2 Marder, und viele Raubvögel, Wildenten und –gänse, und Schwärme von Zugvögeln, die endlich aufbrechen sollten, wie wir finden. Einige Stopps und ein lettisches Magnum Surrogat namens „Aurum“ sowie Schoggis aus Estland (trotz unterschiedlichster Verpackung ist immer „Kalev“ drin), versüßen die Fahrt. Ein schönes braunes Pferd steht auf einem Acker und begrüßt uns laut wiehernd, als wir vorbeiradeln, woher es wohl weiß, dass Karen einen Apfel parat hat?. Das Pferd frisst den Apfel und als wir weiter wollen und uns verabschieden, nickt es heftig mit dem Kopf, als verstünde es uns. Na denn, auf Wiedersehen!! Die letzten 10 km sind wir auf einer autobahnähnlichen Schnellstrasse und Stefans Entschluss, die 150 km nach Riga per Zug zurücklegen zu wollen, erfährt erneute Bestätigung, so schön ist Schnellstrassen fahren wirklich nicht. Die LKWs brummen vorbei wie nix gutes. Ach ja, mitten auf der Strecke, (ohne irgendwelche zuführenden Strassen dazwischen) begegnen uns die Euro Velo 1 Schilder wieder…, vorher davon keine Spur (jetzt trauen sie sich wieder!) Pärnu – 750 Jahre alt, was gerade (wie?) gefeiert wird, DER Kurort des 19. Jhdts., Sommerhauptstadt und Kulturhauptstadt Estlands des 20. Jhdts., ehemals Mitglied der Hanse, grün und sehr schön (wenn man mal in der Stadt ist). Die Touri Info hat zu, aber wir wissen, dass wir in die Villa Christina wollen, die zwar Villa Katarina heißt, als wir da sind, aber recht schön ist. Wir erhalten auf Nachfrage wegen des heute Abend stattfindenden finnischen (!) Konzerts eines Alleinunterhalters ein ruhiges Familienzimmer mit Doppelbett und Einzelbett, schräger Dachluke, TV, Schreibtisch, 2 Sessel. Nett. Duschen, Klamotten waschen. Wie denn finnische Musik so sei, fragen wir und erhalten die Aussage: “Its very difficult to explain, you have to listen to it for yourselves…“Ah ja, soso. Auf zum Busterminal und fragen nach Bussen nach Riga. Die Touriinfo finden wir erst auf Nachfrage im Pärnu – Hotel und dann ist sie unergiebig. Ja, es gibt 2 Busse, 1 um 8.50 Uhr und einen „Ekspress“ um 12.50, aber ob die Räder mitnehmen, könne man nur im Terminal direkt vor Ort erfragen. Nun denn. Wir besichtigen die Innenstadt: schöne Häuser aus dem 17., 18., 19. Jahrhundert und den roten Turm von 15-hundertdickmich. Alles sehr schön, aber wolkenverhangen und es beginnt zu tröpfeln. Der Hunger und die Empfehlung des Lonely Planet treiben uns zum „Restoran Munga“, „like a visit to your rich granny with delicious pastries and scrumptuous meals…“ Die Einrichtung ist in der tat sehr großmütterlich-anheimelnd, mit Textiltapete, Sesseln & Sofas von der Jahrhundertwende , hübsch eingedeckter schwerer Eichenmöbel, Busfetts und Stilleben an den Wänden. Die Kellnerin versteht kein Wort Englisch, wir ordern kleine Hauptspeisen in freudiger Erwartung der tollen Desserts und die Hauptspeisen sind – na ja… Das Dessert „Schokolade Soufflee“ für 5 EEK löst in der Küche Protest aus, scheint uns und ist dann prompt – sorry – aus. Die anderen 4 sind okay, cake of the day (was war das? Jedenfalls lecker), cheese fruit salat with vanilla sauce, cherry pie (warmer Strudel) und ein “Dream” – cottage cheese with bred crumbs & jam. We are rather unimpressed – bis auf das Ambiente, und die Kellnerin ist auch eher lustlos unfreundlich unverschämt. Zurück zum Hotel zu finnischen Musik. Kurz bevor es richtig heftig regnet, erreichen wir es. Im Nebenzimmer (wo auch die Räder untergebracht sind) sitzt der finnische Künstler. Eher Rogerii Withakerii. Oder so. Die Musik die später ertönt, klingt genauso. Also, Flucht, kein Bier in der Lobby, Roger Whitaker auf finnisch ist – wie auf englisch – unerträglich. Stefan liest Reiseführer über Riga, Karen schreibt diese Zeilen. TV an, es gibt Tennis. 2 Mücken müssen dran glauben, dann ist es ruhig, draußen pladdert es vom Himmel auf das schräge Dach.
3. September 2001 Pärnu – Riga (Bus – 180 km)
Die gewaschenen Sachen sind nicht ganz trocken, Karen fönt. Stefan radelt zur Businfo. Der Himmel ist blau, es ist aber deutlich kühler als zuletzt. Die Euroline Tante sagt, dass es freie Entscheidung des Fahrers sei, ob er uns und die Räder mitnimmt. Wozu sie wohl überhaupt da ist, Auskunft kann sie jedenfalls nicht geben. Ach ja, Frühstück war lecker (Porridge) unser letztes in Estland? Wir packen, zahlen und radeln gemütlich durch die Stadt. Zur Touristinfo (heute ist Deutsch-Tag) Postkarten kaufen Danach zum Busterminal, Karten schreiben, Proviant und neuen Stift kaufen. Um 12.15 kommt der Bus er ist rammelvoll. Shit. Wir schlagen die Zeit bis 15 Uhr irgendwie tot, fahren zum sehr schönen Strand, (Supelrand), trinken noch nen Kaffee und sorgen uns dass wir bei Gegenwind & aufkommendem Regen doch bis Riga radeln müssen. Doch der Bus um 15.30 ist leer. Die Räder werden bepackt unten reingelegt, und los geht es. In diesem Moment fängt es an heftig zu regnen. Geschafft – Schwein gehabt. Bye bye Estii – Du hast uns sehr gefallen!! Wir fahren die 180 km in gut 3 ½ Stunden, mit Zwischenstopp an der Grenze. Es regnet, nach der Grenze fahren wir die einzig mögliche Route (die wir auch hätten radeln müssen) – die Via Baltica (E76) eine einzige Baustelle. Sicher wäre das, noch dazu bei dem Wetter, kein Radvergnügen gewesen. Um kurz vor 8 Uhr (in Lettland ist es eine Stunde später) kommen wir in Riga an. Die Räder haben die Fahrt ebenso gut überstanden wie wir. Stefan wird von einer Frau auf deutsch angesprochen und ist so perplex, dass er „sorry, i don´t understand you – do you speak english?“ antwortet. Wir vergessen immer wieder, dass hier mehr Leute deutsch als Englisch sprechen, ganz ungewohnt. Die netten Letten (kleines Reimspiel) erklären uns den Weg zum Hotel (rein in die Altstadt & immer geradeaus). Vorher sehen wir ein anderes, das auch okay aussieht, wir wollen aber der Lonely Planet Empfehlung folgen und ins „Ragi & Draugi“, wir finden es , gehen vorher an einer lauten Karaoke Bar (open air) vorbei. Im Hotel gibt es noch ein twin, sehr schön, die Räder werden im Notausgang (feuerpolizeilich völlig indiskutabel) verstaut, das Zimmer ist groß und sehr schön. Ein Gang in die Altstadt, nightlife. Wir tauschen die EEKs in Lats und erhalten ~ 210,-. Erster Eindruck von Riga – wunderschön restaurierte Häuser (gerade fand die 800 Jahr Feier statt), enge mittelalterliche Gassen, Trubel. Essen in einem British Pub. Rückkehr ins Hotel – lesen.
4. September 2001 Riga
Wir stehen früh auf, haben beide schlecht geschlafen (Mücke sei dank). Duschen , frühstücken _ WOOOW was für ein grandioses Buffet!! Wir essen ordentlich, und sind pünktlich um 10 Uhr zum Sightseeing Termin am Bus (der von der BVG stammt, ein Gruß aus Berlin). Nur 9 Leute wollen zur längsten City Tour in Riga, erst 2 Stunden Bus, dann 1 ½ Stunden Fußmarsch. Der Bus bringt uns über die Daugava (der Fluss hier), ehemalige Vorstädte,, alte, z.T. verfallene Holzhäuser, andere aber auch schon toll restauriert. Wird wohl in ein paar Jahren sehr schön werden. Wir landen auf dem „Brothers Cementery“, 2 nebeneinander liegenden Friedhöfen mit massiven Steinskulpturen, eine zeigt einen Bildhauer, die andere einen Dichter (?), beides DIE Helden von Lettland, Staatsgründer (?) oder so. Wir sind nicht sonderlich beeindruckt, Friedhöfe eben… und das bei regnerischem , recht kühlem Wetter Danach geht es durch das neue diplomatische Viertel, zum Teil sehr schön renovierte Häuser. Der Busfahrer rast, als wäre Riga – Rallye. Die Tourguide spricht englisch & russisch, sehr viel Info in kürzester Zeit. Nach 2 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt, wir verlassen den BVG Bus und marschieren los, unser Guide redet wie ein Wasserfall. Auch die Letten fühlen sich unterdrückt,, Opfer des WW II, von den Westalliierten im Stich gelassen. Von den Russen annektiert, leben heute nur noch 45% Letten hier, der größere Teil der Bevölkerung ist russisch. Wir wandern durch die wunderschöne Altstadt, schlendern durch die Gassen hören Geschichten über vergangene Zeiten (zum Teil verstehen wir aber die Zusammenhänge nicht, die Guide spricht rasend schnell, oft weiß man nicht, ob es noch russisch oder schon englisch ist). Unsere Gruppe wird immer kleiner, auf dem Weg „verlieren“ wir einige Leute, schließlich sind wir noch zu 5. Unsere Tour endet ein abruptes Ende, als die Guide sagt, dass die Zeit jetzt um sei, sich nicht verabschiedet und uns einfach irgendwo stehen lässt… Sehr merkwürdiges Verhalten, aber was soll´s. Egal, es regnet und wir wollen in die Markthallen, also ab ins Hotel, Regenjacken holen. Im Markt sehr viel auf großer Fläche, sieht alles sehr gut aus, allerdings haben die hier westliche Preise (!), können die sich das hier leisten? Wir stromern ziellos umher, kaufen ein bisschen Obst und finden sonst nix, was uns freut. Ab zum Bahnhof, wie findet man raus, wo welcher Zug fährt?, Es regnet und regnet, dazwischen auch mal wieder nicht Hmmm. Ich erstehe vor dem Bahnhof ein „Belasi“, indem ich mich an der Bude (sieht aus wie eine Wurstbude, nur noch kleiner) anstelle und nachahme, was der Mann vor mir sagt. Die Frau lächelt wissend (meine Aussprache muss grauenhaft sein) und gibt mir ein öliges Gebäck mit Hackfleisch/Zwiebel-Füllung. Ab zur Touristinfo, Postkarten und Straßenkarte kaufen, danach gehen wir ins „Museum Of Occupation 1940 – 1991“ im ehemaligen Lenin-Gebäude. Sehr beeindruckende – und schockierende – Zeitdokumente über die Zeit 194 – 1946. Wir sind nach 2 Stunden bei 1946 angelangt, leider schließt das Museum um 18 Uhr, wir müssen den Rest wohl ein andermal lesen. In der Zeit fand nach lettischer Geschichte ein echter Genozid statt, die Russen haben hier die geistige Elite des Landes umgebracht, verschleppt nach Sibirien oder sonst wohin und so das aufkeimende Pflänzchen Freiheit vernichtet. Insbesondere auch in der Stalin-Zeit (ab 1948) wurden weitere hunderttausende Menschen verschleppt, hier gibt es –zig Zeitzeugen, handgeschriebene Zettel, die aus Waggons geworfen wurden und ähnliches. Uns erinnert das sehr an unsere KZ-Besuche nur ist es hier eben ein anderes Land, in dem das Grauen wütete. Schreckliche Vorstellung. Was haben wir für ein Glück, in einer anderen Zeit zu leben. Nach einem Abstecher ins Hotel gehen wir essen. Wir wollen ins „Kirbis“, einem vegetarischen Restaurant (Selbstbedienung, man zahlt nach Gewicht, nee, nicht nach dem eigenen, sondern dem des Tellers). Ist recht lecker. Ab zum Superstore, Proviant & Briefmarken kaufen, morgen wollen wir weiter. Es regnet wieder. Zurück ins Hotel, Tennis im TV und lesen. Der Wetterbericht verheißt nix Gutes…
5. September 2001 Riga – Sabile (48 km Zug, 50 km Rad)
Wir lassen uns vom Wecker um 7.3 wecken und sind nicht die ersten am Büffet… Packen und ab zum Zug, der um 9.24 Riga verlässt. Am Bahnschalter dann Verständigungsprobleme: „Do you speak english?“ – „Nee, Deitsch schprecken“ – „Von wo geht der Zug? Welcher Bahnsteig?“ – Sie schreibt auf: 9.24 – „Danke…“ Wir irren ein wenig umher, dann finden wir den Zug auf Gleis 3, wie auf der Infotafel angekündigt. Letzter Wagen für die Räder (so wird uns bedeutet), ich nerve Karen, weil mir alles zu langsam geht. Die Räder in den Zug zu wuchten geht einigermaßen, endlich sind wir drin. Der Zug rollt aus Riga, das Wetter ist abwechselnd, mal blau, dann wieder Wolken, aber kein Regen. Karen versucht mit eine jüngeren Frau deutsch / englisch zu sprechen, damit diese übersetzt und die Kommunikation mit einer älteren Frau, die uns bzw. den Rädern im Weg sitzt, zu ermöglichen, aber das klappt nicht. Dafür versteht die ältere Frau unsere Gebärden und lächelt. Na ja. Die Räder stehen im Gang und behindern ein wenig, aber es stört sich niemand dran. Viele bestaunen die Räder, Radtouristen im Zug in Lettland sind nicht alltäglich. Wir fahren in einer Stunde bis Tukuums I, dort ist Endstation. Früher ging es wohl noch weiter bis zur Küste, aber wie in Estland sind die Zugverbindungen durch Busse ersetzt. Der Zug hält, wir haben alle Zeit der Welt, die Räder auszupacken und ein Foto der Eisenbahn zu machen, die Sonne scheint. Die Nebenstrecke ist schnell gefunden, allerdings ist Lettland hügelig, schon der Anstieg vom Bahnhof ist nicht ohne. Das sind wir nicht mehr gewöhnt nach dem flachen Estland. Dafür geht es aber auch mal bergab. Wir radeln gemütlich vor uns hin, auf der ruhigen Strasse Richtung Ventspils, danach geht es Richtung Kandava. Kurze Pause an einer Bushaltestelle, es bezieht sich wieder und dann regnet es. Wären wir doch nur ein wenig länger im Bushaltehäuschen sitzen geblieben…Aber der dünnfädrige Landregen ist recht erträglich. Beinahe Salzburger Schnürlregen. Wir erreichen Kandava, wo es ein Hotel geben soll, wir sehen keines also weiter nach Sabile, das sind nur 9 km, wir dachten, es sei mehr. Es regnet mal mehr, mal weniger, es ist aber dabei recht warm. Recht schöne Strecke mit leichtem Auf und Ab, uns kommt es vor, als gäbe es hier mehr Nadelbäume im Mischwald als in Estland, und durch die Hügel wirkt die Landschaft sehr schön. Sabile. Der erste Eindruck ist sehr schön, weil wir an den Häusern der Großkopferten vorbeiradeln, riesige Winter- & Gemüsegärten, direkt am Haus dran, beeindruckend. Mein erster Versuch, in einer Kafejnica nach einem Hotel zu fragen, scheitert mangels Sprachkenntnis. In der Touristinfo im Finanzamt (!) sind wir erfolgreicher. Karen spricht mit einer jungen, recht erstaunten Frau, die wohl sonst keine Radfahrer in Regenklamotten vor sich hat, englisch und wir erhalten die Auskunft, dass es in Pedvale, ein Open air Museum mit Übernachtungsmöglichkeit gibt, einfach ein paar km den Berg hoch. Wir schnaufen hoch, vorbei an einem radschiebenden Schornsteinfeger der freundlich „Hallo“ sagt! Oben, nach einem kurzen Schotterstück, das ungute Erinnerungen weckt, erwarten uns mehrere kläffende Köter, eine Cafeteria und ein altes Bauernhaus, an dem eine Handvoll neugieriger Männer Fassadenarbeiten macht. Das angebotene Zimmer ist völlig in Ordnung und mit 10 Lats (ca. 18 Euro) recht günstig. Es ist im ersten Stock des alten Bauernhauses, das zum Open Air Museum gehört, unten befindet sich die Kasse, darüber einige bereits renovierte Zimmer, die in Abwesenheit der im Museum arbeitenden Künstler vermietet werden. Mittlerweile hat das Wetter wieder aufgeklart, und nach dem Entpacken der Fahrräder brechen wir zu einem Besuch des Museums auf. Überall verstreut stehen Skulpturen und Monumente blau bemalte Hölzer queren einen Graben, Blechkoalas mit lettischer Flagge hängen in den Bäumen ein riesiger Traumfänger, viele Findlinge in einer engen Lindenallee, „Bäume“ aus Holzstäben mit Holzpalmwedeln, mit Draht umflochtenen Steine, die auf Stäben stecken / in Säcken über dem Wasser hängen usw. usw. Viele schöne Steinskulpturen sind in einem verfallenen Haus untergebracht (siehe Foto), andere Häuser laden zwar ein, sie besuchen, sind aber finster und unheimlich, mit blut(?)verschmierten Tüchern verhangen etc. Das Areal ist riesig (200 ha) und nach mehr als 2 Stunden die wir über Stock und Stein geklettert sind und Grafiken, Installationen und Skulpturen anzusehen, sind wir überwältigt, hungrig und müde. Noch schnell ein paar Postkarten von Pedvale erstanden und dann schräg gegenüber ein großes aber qualitativ mäßiges Abendessen auf der schönen Holz-Veranda sitzend bei langsam untergehender Sonne. Es ist ruhig und abgeschieden hier. Beim Duschen erschlagen wir die fettesten miesesten Mücken, die können uns nachts nichts mehr anhaben (nur die Verwandten…). Tagebuch schreiben, lesen und den Blick aus den beiden Fenstern über das weite Land schweifen lassen. Weiter hinten im Feld brennt ein (Kartoffel?) Feuer. Spät in der Nacht dann noch Störung – sehr laute Nachbarn ziehen ein, da sie auch noch das gleiche Badezimmer benutzen, stehen wir senkrecht im Bett, als sie merken, dass sie nicht allein sind, verhalten sie sich ruhiger.
6. September 2001 Sabile – Kuldiga (50 km)
Wir haben ganz gut geschlafen und verbringen noch gut 1 Stunde dösend im Bett. Beim Frühstück (cheese & ham & Toast gegenüber) stellt sich unsere laute Nachbarschaft vor und entschuldigt sich für den lauten Auftritt von letzter Nacht. Wir radeln weiter, der Nebel lichtet sich und die Sonne tritt hervor. Die paar km Abfahrt sind leider zu schnell vorbei, auf ruhiger Strasse geht es weiter. An einem ruhigen Wasserfall (Picknickplätzchen für die Letten), „Rumba“, na ja, eher eine Stromschnelle… treffen wir unsere Nachbarn von heute morgen wieder, unterhalten uns ein wenig. Seit 11 Jahren sind die zwei Männer Brieffreunde, der eine aus Groningen (NL) der andere aus Värme / Latvia, die sich alte Landhäuser und Schlösser ansehen bzw. das was von ihnen übrig ist. Wir schwätzen gut eine Stunde über Gott und die Welt, politische Lage in Lettland usw. Sehr anregend. Weiter geht es bei strahlendem Sonnenschein. Mittagessen in Renda, der Mann in der Kafejnica spricht deutsch, wir haben aber auch immer ein Glück!! Karen bestellt lettische Tortellini (Pelmini oder so ähnlich), die in Salzwasser gekocht werden, dazu gibt’s die obligatorische saure Sahne. Ich bestelle Schaschlik mit Reis, alles ist sehr gut (nur das Fleisch etwas zäh). Wir bekommen noch einen Plan über Kuldiga geschenkt, der uns neugierig macht: nette Altstadt, alte Hanse (wer war hier eigentlich nicht in der Hanse??), altes Schloss etc. Auf den ersten Blick sieht bei der Einfahrt nach Kuldiga auch alles toll aus, in der strahlenden Sonne, es ist warm und schön. Bei der Einfahrt geht es über eine Steinbrücke, die linkerhand Ausblick auf den breitesten Wasserfall Europas ermöglicht. (24 m breit, aber nur 2 m hoch). Trotzdem ist man hier stolz darauf, und Kuldiga ist ein typischer Ort für Honeymooner, insbesondere auf der Brücke wird man gern fotografiert. So auch wir. Ein kleiner Junge sieht mich mit der Kamera hantieren und fragt, ob er eine Aufnahme von uns machen kann. Ich überlege, wie schnell der wohl laufen kann, vertraue ihm aber – zurecht! Im Hotel „Jananamy“ spricht die junge Frau deutsch, sie macht eine Ausbildung in Deutschland. Wir erhalten ein schönes großes Zimmer im Neubau unter dem Dach mit allem Komfort, Doppelbett & Frühstück inklusive für 22 Lats. Schön!! Auf zur –angeblich englisch sprechenden – Touristinfo. Englisch ist nicht, aber trotzdem erhalten wir Antwort auf unsere Fragen, ob es wohl Unterkünfte an der Küste in Jurkalne bzw. Pavilosta gibt. Beides wird bejaht. Damit steht die nächste Tagestour fest. Wir schlendern durch die Stadt (na ja, eigentlich nur eine Strasse), kaufen eine Diafilm und suchen uns das im Prospekt gerühmte Kaffeehaus mit österreichischem Kaffee. Es besteht aus 3 Tischen mit Plastikstühlen in einem Schirm (?) Geschäft. Die Kellnerin versteht uns nicht gut, hat keine Milch. Also 2 Espresti. Noch mal Stadtgang und Proviant für morgen kaufen, dann Abendessen im Hotel, bei dem Karen vergeblich versucht, den Hering NICHT in saurer Sahne ersoffen serviert zu bekommen. Wir amüsieren uns über den Hotelprospekt und machen die deutschsprechende junge Frau auf die Fehler darin aufmerksam.
7. September 2001 Kuldiga – Jurkalne (48 km)
Frühstück um 8 Uhr, es gibt Omelette (gut, aber fettig) und auf Nachfrage Brot & Marmelade (aus Deutschland, ob die deutschsprachige Kellnerin die von ihren Besuchen in Deutschland mitbringt?). Ab zum Bäcker, 2 labbrige Brötchen und los Richtung Edale. Die Sonne scheint, wir kommen ganz gut voran. In Edale dann Sattel einstellen für Karen, beim 3. versuch bin ich genervt, aber dann passt er. Es geht berg- (na ja, hügel-) an und- ab. Obwohl wir keine sehr lange Tour vor uns haben, zieht es sich doch. An der letzten Möglichkeit, doch die Velo via Baltica zu erreichen, zögern wir. Aber 30 km Schotter (?) – nee! Kurz darauf regnet es. Wir radeln in den Regenklamotten durch den einsamen Wald. Nach ca. 10 km erreichen wir Jurkalne und auf Hinweise einer Frau reagierend finden wir im Veilkals (=Kaufhaus) eine deutschsprachige junge Frau, die uns eine Touristenzeitung (!) (eine Doppelseite) in die Hand drückt und uns ca. 6-7 km weiter zu „Luki“ schickt. Wir versuchen auf dem Weg noch ein anderes B&B weil das näher am Meer liegt (spielt bei dem Wetter aber sowieso keine Rolle), außerdem wird dort gerade umgebaut. Also weiter zu Luki – die Frau dort spricht wenig englisch, aber es klappt. Wir landen in einem Mini-Bungalow, 2 Betten, Heizung Tisch 3 Stühle, 2 Bügel. Plumpsklo nebenan, Dusche und Sauna über den Hof. Sauna!? Wollen wir!! Kostet noch mal extra, 8 Lats. In 2 Stunden ist das Dinge heiß. Wir entpacken, hängen die nassen Klamotten auf. Es regnet nicht mehr, wir haben freien Blick über den Acker. Lesen, nach 2 Stunden gehen wir über den Hof zur Sauna. Kleines Ding, gute warm. Wir machen 2 Aufgüsse, duschen bei geöffneter Saunatür (da die Seife DRIN liegt, wird das wohl so richtig sein? Karen kippt die Wasserschüssel mit Seifenwasser auf den Saunaofen, worauf die Bude beinahe explodiert…Wir lüften ordentlich und ziehen uns in unser Zimmer / Hütte zurück. Abendessen auf dem bett: Joghurtdrinks, Kefir, Brot, trockener Käse. Wir haben es mal wieder gut getroffen. Es ist irre ruhig, kein Auto oder sonstiges Umweltgeräusch zu hören, wir lesen und schlafen früh. Trotz der kurzen Strecke sind wir sehr müde. Ach ja, mein Kilometerzähler blieb heute bei exakt 3000 stehen, als wir den Hof erreichten, lustig, gelle? Karen geht widerwillig aufs Plumpsklo und findet es gar nicht so schlimm.
8. September 2001 Jurkalne – Liepaja (70 km)
Es ist ziemlich kühl, als wir ins Haupthaus zum Frühstück gehen. Das Frühstück findet in der Wohnstube statt, es gibt Obst, Käse, Brot und Marmelade. Wir verputzen alles packen, zahlen und los. Anfangs in Jacken und Handschuhen, wird es später doch wärmer. Bei Ulema (?) ein Superhaus am Wegesrand, umgebaute Scheune, glanzvoller Prachtbau, verglast und nah dem Meer, wie das wohl im Sommer aussieht. Und wer dort wohl wohnt? Später ein Sidestep ans Meer, 30m Klippen gibt es nur hier, an diesem Teil der Küste, wir machen kurze Pause und Karen sicht ihre Schuhe nass. Schön ist es hier, trotz 10 km Schotterpiste. Die Strasse wird wohl gerade gebaut, und begegnet kaum jemand. Die Strecke zieht sich. Wir haben nix mehr zu essen, strampeln gegen den Wind. Es ist anstrengend und wir mühen uns ab. Endlich – 15 km vor Liepaja ein offener Markt. Süßteile und Joghurt, aber zum Sitzen ist es doch zu kalt. Also weiter, bei einer Bushaltestelle bewundern wir einen Specht bei seiner Arbeit… Endlich Liepaja – die ersten Eindrücke sind gruselig, Industrie vom schmutzigsten. Hupende LKWs und Busse, uns reicht es, bevor wir da sind. Dann das Riva Hotel (im Reiseführer wegen seines Frühstücksbuffets gelobt und wegen seiner zentralen Lage) – Sowjetbunker, Karen sieht sich 2 Zimmer an ich auch eines, es ist uns aber zu teuer (35-45 Lats) und außerdem wird uns mitgeteilt, dass das Buffet nur zustande kommt, wenn genügend Leute eintreffen. Was tun? Weiter zum noch teureren Hotel? Die Touristinfo ist zu. Das Guesthouse Feja auch, als wir es endlich finden. Wir schlagen im Accommodation-Verzeichnis nach, da gibt es noch ein Guesthouse hier. Ein Kaffee in der (kleinen, aber eigentlich netten) FuZo, Karen fragt nach dem Weg und trotz der Unkenntnis vieler Leute findet sie die richtige Strasse. SUPER Zimmer, nette Frau (Verständigung mit Zetteln, Händen und wenig Englisch) um 24 Lats!! Wir gehen einkaufen, Abendessen vor der Glotze (Tennis US Open), es gibt knackige Brötchen, Salate, Cider, Cocktail & Chips. Laute Nachbarn…
9. September 2001 Liepaja – Klaipeda (Bus 101 km)
Es hat die ganze Nacht geschüttet & gestürmt, es gießt nach wie vor in Strömen und Sturzbächen. Hört das denn gar nicht auf? Uns ist klar – bei dem Wetter ist an Radfahren eigentlich nicht zu denken. Wollen wir auch nicht. Die Strasse ist auch überflutet und die Autos kommen kaum durch. Vom Fenster aus sieht die Strasse auch eher wie ein Bach aus als eine Strasse. Was tun? 2 Alternativen: 1. Wir bleiben noch eine Nacht und hoffen auf Besserung, oder wir versuchen mit Bus oder Bahn nach Klaipeda zu kommen. Da uns die Stadt nicht gefällt, wollen wir weg. Aber erst mal Frühstück. Buffet, reichhaltig, und sehr nett, bis die (norwegischen?) Army-Jungs in ihrer Tarnkleidung auftauchen. Wir fühlen uns wie in einem Militärlager. Die nette englischsprechende Frau findet für uns heraus, wann Busse nach Klaipeda fahren. Um 10 Uhr und um 15 Uhr, Wir wollen den ersten erwischen, packen uns wasserdicht ein und los. Schon nach wenigen Pedalumdrehungen ist klar, dass das Fahren kein Zuckerschlecken ist. Am Sowjetbunker vorbei, wo wir sehen, dass es mangels Gästen kein Buffet gibt (freut uns tierisch, denn das wäre ein Argument für diesen hässlichen Bunker gewesen). Auf der Brücke pfeift der Seitenwind uns fast von der Fahrbahn. Wir sind froh und doch nass, als wir nach wenigen kilometern (!) die Busstation erreichen. Meist radeln wir auf dem Bürgersteig, auf der Strasse benötigen die wenigen Autos den ganzen Platz. Wir erreichen den Bahnhof mit angeschlossenem Busbahnhof. Drinnen warten wir im Trockenen, aber Ungewissen, denn ob die Räder mitkommen, entscheidet der Busfahrer. Karen findet einen neuen Freund: den Bahnhofskater, der sich an sie anschmiegt. Da kommt der Bus! Der Fahrer schüttelt den Kopf –nee, keine Räder und zeigt auch warum: im Unterbau des Busses ist der Motor, nur lange, schmale Fächer fürs Gepäck, da passt kein Rad rein. Unschlüssig und sprichwörtlich wie begossene Pudel stehen wir da. Was nun? Der Fahrer – er spricht übrigens kein englisch, bedeutet uns – na ja, ein Rad könne ja in den Gang und kann man nicht das rad demontieren? Wir verneinen, aber das Gepäck kann natürlich ab. Und den Lenker quer? Na klar. Und die Pedale? Kann ich auch noch abmachen, aber das brauche ich gar nicht, gemeinsam schaffen wir das Rad quer unten in das schmale Fach. Puuh, geschafft!! Mann, hatte der Busfahrer doch Mitleid, und wir haben Schwein gehabt, 100 km in dem Regen – kein Spaß! Wir sind überglücklich, die anderen Fahrgäste sehen uns die Erleichterung an. Kontakt finden wir aber nicht, außer scheuen Blicken gegenseitig bleibt es bei der Fahrt nur beim gemeinsamen Ausweichen vor den Regentropfen, die durch das Busdach tropfen, na ja, rinnen. Wir fahren für umgerechnet 5,- DM (oder2,5 Euro) im Trockenen durch die regnerische Landschaft, ein echtes Pisswetter herrscht draußen, auf der Strecke überholen wir 2 Radfahrer, das hätten wir sein können. Schwein gehabt, die sehen nicht „amused“ aus. Klaipeda, nach 3 Stunden (eine Stunde Zeitverschiebung – also wieder deutsche Zeit) sind wir da. Die Grenze war ebenso unspektakulär wie die zwischen Estland und Lettland. Hier regnet es nicht mehr, aber es ist kalt und ein Wind pfeift auch. Wir suchen uns das im „lonely planet“ angegebene Hotel und beziehen ein Zimmer (für immerhin 120 DM) mit TV, Heizung (wunderbar) und ruhigem Ambiente, gleich am Hafen gelegen. Gleich wider los. Wir wollen amerikanische Steaks und Kino!! Schließlich sind wir Urlaub! Im „Skandales“ werden wir fündig, lecker essen und danach gehen wir ins Kino, (Bridget Jones Diary, OmU, keine Werbung, nur ein Trailer und los geht es mit dem Hauptfilm, beneidenswert, wenn man bedenkt, dass z.B. im Cinemaxx prinzipiell gut 35 min. Werbung laufen). Nun sind wir mit der stürmischen Welt wieder versöhnt. Hätten aber gern besseres Wetter für die Kurische Nehrung! Rückkehr zum Hotel, Wetterbericht anschauen, im Norden überall graues, kaltes Regenwetter, Tornados in England, Überschwemmungen etc. Da bleibt uns nur die Hoffnung…
10. September 2001 Klaipeda – Juodkrante (20 km)
Wir sind die einzigen Gäste – im leeren Speisesaal hängen Bilder von der Nehrung…Packen zahlen los. Die Fähre gleich nebenan legt gerade an, eine große Gruppe älterer Deutsches bestaunt uns, ich verlange Eintritt für die Attraktion, wir kommen ins Gespräch. Es handelt sich um eine Landpartie – gleicher Veranstalter wie schon in Estland gesehen. Sie wollen ab Smyltine bis Nida radeln (wenn sie nicht mehr können oder wollen, besteht auch die Möglichkeit zum Umsteigen in den Bus). Die Fähre um 10.30 fällt aus – wir warten also gut 30 min ab. Dann geht es los, ein kaum nennenswerter Hüpfer (5 min). Wir verabschieden uns und radeln los. Gegenwind, wenig bis kein Regen, milderes Klima (komisch). Es geht rauf (6%) und runter, schöner Wald mit Gras. Ganz andere Landschaft als auf dem Festland. Karen mag es & ich auch. Nach gut 5 km der Eintritt in den Nationalpark, mautpflichtig für KFZ, wir werden durch gewunken, Fahrradfahrer zahlen nix. Wir halten an den Rastplätzen, lesen die Infotafeln & gucken. Nach 20 km ist Juodkrante erreicht, idyllischer kleiner Ort mit Hotel Nerunga (soll ein Wasserbett haben). Wir trinken erst mal einen Kaffee. Dann weiter? Ist uns zu kalt, eine kühler Wind hat eingesetzt, also retour ins Nerunga. Das Zimmer kostet 150,- ist aber noch nicht fertig – wir sind zu früh. Also radeln wir durch den ort und kaufen Postkarten. Danach das Zimmer beziehen und der Empfehlung vom „Klaipeda in your Pocket“ folgend ins Pamario takas – zu Fisch & Tee. Schmeckt gut. Wir treffen die Radlergruppe wieder, die waren in der sehr schönen Villa Flora zum Mittagessen. Deren Räder sehen nicht toll aus (Hollandräder). Wir spazieren durch das Hexenwäldchen, schöne Holzskulpturen, ziellos schlendern wir, gelangen so auch zum Strand. Schöner Sandstrand, nur jetzt zu windig & kalt. Karen holt sich beim Spiel mit den Brechern nasse Füße. Retour durch den Ort, Post finden wir nicht, also zurück ins Hotel. Das Wasserbett ist nicht so bequem, wie ich dachte, also ist so was für zu Hause auch ausgeschieden! Der Wetterbericht sieht mies aus, das Tief sitzt über der Ostsee fest, hat das ganze Baltikum fest im Griff. Na ja, wir haben es gerade warm & gemütlich.
11. September 2001 Juodkrante – Nida (40 km)
Draußen kämpfen die Naturelemente und buhlen um unsere Aufmerksamkeit – es regnet, windet und die Meeresbrandung tost. Wir faulenzen noch etwas und gehen dann ins vom oben erwähnten „Klaipeda in your Pocket“ empfohlene Frühstückshotel Villa Flora. Es ist wirklich SEHR gut,, vor allem der handgeschöpfte Quark, die Beerenmarmelade, der Kaffee sowie die „Blinay“ (Pfannkuchen gefüllt mit warmen Quark & Mohn) lassen uns lange verweilen. Das Wetter lockt uns sowieso nicht. Trotzdem heißt es Abschied nehmen, packen und los. Kurz scheint die Sonne, auf gen Nida!! Es regnet zwar wieder ab und zu heftig, aber in den waldgeschützten Bereichen ist das nicht so schlimm, da bläst auch kein Wind, also es geht gut voran. Wir steuern auf der Strecke jeden Parkplatz an, lesen die englischen Infos, und betrachten die Natur. Dann die große Wanderdüne, die am wandern gehindert werden soll. Wir besteigen die sandige Düne (auf ausgewiesenem Holzpfad) und bestaunen die sandige Weite. Hier ist Europas einzige (und damit natürlich größte) Wüste!!! Und wir sind mittendrin, es regnet. Wir ziehen weiter, radeln auf der kaum befahrenen Strasse Richtung Süden, treffen auf eine Horde Wildschweine, die zutraulich immer näher kommen, Nationalpark eben. Elche suchen wir vergeblich, das Wetter wäre ja gut, aber sie lassen sich nicht sehen. Trotz unzähliger Achtungsschilder – der „Blechelch“ bleibt wohl unser einziger. Wie viele wohl UNS gesehen haben?? Einfahrt nach Nida. Sehr schöner alter Fischerort mit traumhaft schönen alten Holzhäusern, nach kurzem heftigen Anstieg ist er erreicht, da mussten wir wohl über eine asphaltierte Düne drüber. Ein Hotel finden wir nach einem Abstecher zur englischsprachigen Touristinfo schnell, das Lineja. Dort ist auch die Landpartie einquartiert, wir treffen also alte Bekannte. Das Zimmer ist okay, wenn auch nicht billig, 150,- (also 38 Euro) ohne Frühstück., dafür mit kleinem Bad mit rostigem Wasser. Wir essen was im kleinen Hotel, leider gibt es satt der gewünschten Cepelinai (Klöße mit Fleisch oder Quark) nur blinaj (hier Pflaumenkuchen) und Kartoffelpuffer mit Fleischfüllung, beides wird gerecht geteilt. Danach radeln wir durch den schönen Ort, machen Fotos am Sanddornstrand (wo kommen die vielen Krähen her?) und besuchen das Bernsteinmuseum. Wir erfahren, dass es neben gelben auch rote, blaue, weiße, graue & grüne Bernsteine gibt. Interessant, uns gefällt der Bernstein als Schmuck ja nicht so sehr. Im Hotel fängt uns die Receptionistin in der Lobby ab und zeigt auf den TV-Schirm. Eine Schreckensnachricht – ein Terroranschlag in den USA, das Empire State Building ist zusammengestürzt. Wir sind völlig fassungslos, bestürzt und schockiert und nehmen die Nachrichten wie in Trance auf. Der Rest des Tages ist gelaufen, wir empfangen RTL und sehen andauernd die Bilder, bis wir beschließen, das sein zu lassen, die Nachrichten sind zu unklar, wer weiß, was aus der Welt nun wird.
12. September2001 Nida & Umgebung
Die Bilder im Kopf lassen uns schlecht schlafen, die Betten sind auch zu kurz. Um 8 Uhr wachen wir – auch dank der lauten Leute der Landpartie – auf. Sie fahren gerade ab, gute Reise! Wir sehen die Nachrichten, es hat wohl tausende Tote gegeben, niemand bekennt sich zu diesem feigen Attentat. Wir gehen frühstücken, es gibt kein Brot, im Milchkaffee ist Likör – retour! Cornflakes & Blinais. 5 Postkarten schreiben und überlegen, ob wir das Hotel wechseln. Es regnet. Trotzdem – packen zahlen, los. Das Wetter ist MISTIG!! OBERMISTIG!! Wir suchen das Hotel Nidas Pusymas neben dem Thomas Mann Museum, die wollen 180 die Nacht, aber die Zimmer gefallen mir nicht. Also ab ins Litorino, auf der Ostsee – Seite. Das ist außerhalb von Nida, das Zimmer kostet 120 (auch wieder ohne Frühstück) und wir nehmen es. Das Wetter ist SCH….!!!! Erst mal TV an und trocknen. In nur 1 Stunde wurden wir gut nass. Mann, was für ein Wetter. Als der Regen endlich ein wenig nachlässt, ziehen wir noch mal los, Geld holen und was futtern. Am Tisch nebenan sitzen 2 dicke norwegische (?) Männer, die sich offensichtlich 2 junge Mädels eingekauft haben, Russinnen oder Litauerinnen? Wir wissen es nicht, aber widerlich ist es schon. Wir radeln zu den Dünen , spazieren darauf herum – toll!! Dann wieder durch den Ort, zum Mann Museum, wir gehen aber nicht rein, er war ja nur ein paar Sommer über hier. Retour ins Hotel. Heftiger Westwind, wir spazieren am Strand, Karen sammelt Steine (Mitbringsel). Aus den Netz wissen wir, dass man hier auf der Ostsee- Seite keinen Bernstein findet, aber auch nicht Gefahr läuft, satt des gewünschten Steines eine Stück Phosphor zu erwischen…Es wird langsam dunkel, also ab ins Hotel. TV umbauen, ins Bett mit leckeren Chips. TV-Nachrichten BBC World. Im Zimmer über uns tobt das Leben. Ich gehe mich beschweren, danach wird es ruhiger. Können die in den Hotels eigentlich keine vernünftigen Kopfkissen hinlegen? Die hier sind Kindermatratzen, hart wie Stein und riesig!! Raus damit.
13. September Nida – Klaipeda Fährhafen (84 km)
Die Betten waren besser als in der Nacht davor, was man vom Frühstück nicht behaupten kann. Aber zuvor ein paar Worte zum Bad: Die Dusche produziert kackbraunes Rostwasser . selbiges im Klo (als Karen den Deckel hebt denk sie der Vorgänger hätte das Spülen vergessen) Außerdem hat die Duschwand ein Riesenloch, da konnte man sich gut unterhalten, nur Wasser kam eben auch durch… So wurde der Boden auch noch braun…Ein tolles Erlebnis! Die Frühstückskarte gibt es nur auf litauisch, macht aber nix, es gibt eh kein Frühstück. Auf Nachfrage erhalten wir Cornflakes und ein Käseomelett, das uns mit einer süßen Tomatensoße überschüttet serviert wird. So lieben wir es L Zum Glück hat der Regen gerade aufgehört, als wir losradeln, wir schießen noch einige Fotos von Nida im Sonnenschein (hätte schön sein können…) Dann den 12 km langen Radweg nach Pervalka, geht durch den Wald, an den vielen Pilzsammlern vorbei entlang der Dünen. In Juodkrante visieren wir die Villa Flora an, noch mal Blinajs, wir lassen es uns schmecken. Weiter nach Smyltine, kurz vor dem Ort treffen wir auf 2 junge Dresdner beim Reifenflicken. Wir bieten Hilfe an, kommen kurz ins Gespräch. In Smyltine weichen wir auf Radwege neben der Hauptstrasse aus, entlang des Ostsee Strandes geht es durch den Wald, ziemlich weit. Der Strand ist kilometerlang, weißer Sand, fein, aber heute extrem windig. Ein idealer Ort, um im Sonnenschein der Nehrung und dem Baltikum Adieu zu sagen. An der Fähre müssen wir kurz warten und suchen vergeblich das Ticketoffice. Gibt es nicht, weil nur die Hinfahrt Geld kostet. Retour geht es gratis. Auch gut. Unsere Fähre nach Kiel stampft an uns vorbei, sie kommt gerade von dort, in wenigen Stunden sind wir drauf! Vorher aber geht es noch mal durch Klaipeda, wir essen bei einem Chinesen, in der Nähe des Kinos, man sitzt im Fenster und hat die Räder gut im Blick. Wir schlagen noch etwas Zeit tot, kaufen im nächsten Supermarkt ein und – mittlerweile regnet es wieder – radeln Richtung Fährhafen. Die Strassen sind schlecht beleuchtet, es ist bereits dunkel. Der Weg ist erstaunlich lang, kann das sein? Wir fahren über Stock und Stein, LKWs kommen uns entgegen, die Beleuchtung hört schließlich ganz auf, und endlich kommen wir an – im Frachthafen. Nein, falsche Seite des Wassers, wird uns bedeutet, ihr müsst zurück in die Stadt. Na gut, retour, besser ausgeschildert ist die richtige Route auch nicht, ebenso dunkel und unangenehm im strömenden Regen. Aber endlich, nach 18 km ist es endlich geschafft. Andere Radler sind auch schon da und brauchten ohne Umwege auch 14 km. ACHTUNG – das sollte man einplanen, wenn die Fähre erst mal weg ist… Das Boot ist recht klein, aber nett. Wir bekommen Frühstückscoupons für die 1. Schicht, also 8 Uhr, da um 9 Uhr alle großen Gruppen abgefrühstückt werden (hier hat das Wort noch einen Sinn). Die Kabine ist schön & groß, besser als auf der Herfahrt. Tisch, 2 Stühle sowie Seeblick durch das geräumige Bullauge. Noch ein Nightcap in der Bar und ab in die Koje. Um Mitternacht legt das Boot ab.
14.9. Klaipeda – Kiel (ca. 1000 sm)
Nach relativ kurzer Nacht um 7.15 wecken, wir wollen das Frühstück nicht versäumen. Punkt 8 stehen wir in der Schlange vor der Tür. Wir sind die erste von 3 Schichten, die haben gut zu tun. Es gibt reichlich Büfett, sehr lecker. Wir schlagen uns ordentlich den Bauch voll, tagsüber gibt es nix, wir nehmen Butter und 2 Löffel mit. Danach Ruhe, schlafen, den Tag verdösen. Die „Kaunas“ ist ein kleines Schiff, trotzdem gibt es 2 Bars, 1 Restaurant, Sauna, Ende. Außerhalb der Fütterungszeiten (für Mittag & Abend muss man nachzahlen, so voll wie wir sind, nicht nötig)gibt es nur Snacks. Unsere letzten 52 Litas wollen wir im Duty Free lassen, der öffnet nur für 2 Stunden am Abend. Wir vertrödeln den Tag, plaudern mit anderen Radlern (Alex & Claudia), die in 10 Tagen fast die selbe Tour geradelt sind wie wir, allerdings ohne die estnischen Inseln. Lustigerweise haben sie in Jürhalne ebenfalls bei Luti übernachtet, einen Abend nach uns! Und auch noch im derselben Hütte. Die Welt ist doch klein. Um 19 Uhr gibt es ZDF-Nachrichten in der Bar, danach den Mini Duty Free. Nix dabei, beinahe kaufen wir eine Flasche Rotwein aus Verzweiflung lassen es dann aber doch. Lieber das Hartgeld in Scheine umtauschen und später wechseln. In der Kajüte dinieren wir Brot, Schinken, Salat & Joghurtdrinks und sind zeitig in der Koje.
15. September Kiel – Berlin
Um 5 Uhr Frühstück!! Wir sind dabei und sehen, wie sich insbesondere die LKW Fahrer die Plauze vollhauen und Proviant einsacken. Es gibt heute keine Pfannkuchen, schade. Wir langen auch zu, weiterschlafen wäre aber sicher besser gewesen. Pünktlich um 7 Uhr verlassen wir mit Alex & Claudia die Fähre und sind so ziemlich die ersten am Zoll. Alex Gepäckträger ist kaputt, wir übernehmen sein Gepäck. Radeln gemeinsam in die Innenstadt, wo die ersten Kaffees gerade aufmachen. Wir trinken bei Luzifer einen Cafe au lait und reden. Die beiden studieren in Göttingen Geographie. Wir tauschen noch Adressen / Tel-Nummern aus und verabschieden uns, als Alex Eltern die beiden abholen. Unser Zug geht erst in 3 Stunden, wir bummeln noch mal durch die FuZo , es ist aber kalt und windig. Also ab zum Bahnhof, wir fahren mit einem RE nach Hamburg, der aber in Dammtor stehen bleibt, dort erwischen wir aber unseren IC nach Berlin. Nach über 3 Wochen erreichen wir gesund und müde, voller neuer Eindrücke und mit der Erkenntnis Berlin, dass das Baltikum sehr wohl mindestens eine Reise wert ist!! ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++